Zühlke, W.:                                                                                                   

Fairschach ein chancengleiches Schachspiel  

Beim Normalschach (und einigen anderen Brettspielen) hat der Spieler mit den weißen Figuren einen Vorteil gegenüber seinem mit den schwarzen Figuren spielenden Gegner,  weil er durch sein Anzugsrecht mit seinen ersten Zügen die Eröffnungswahl für das Spiel wesentlich bestimmt und seine Figuren bevorzugt entwickeln kann. Üblich ist deshalb die Vereinbarung von Hin- und Rückspiel mit getauschten Farben, um mit wechselndem Anzugsrecht diesen Vorteil auszugleichen.

Das Ziel einiger etwas geänderter Schachvarianten besteht darin, den Zugvorteil von Weiß grundsätzlich zu vermeiden oder wenigstens so weit zu reduzieren, dass zumindest annähernd gleiche Chancen für beide Spieler beim Schach erreicht werden.

Will man durch Veränderungen gleiche Chancen für beide Spieler erreichen, muss man die Chancen für Schwarz auf das Niveau von Weiß anheben. Wenn das nicht gelingt, muss man die Vorteile von Weiß so weit reduzieren, bis gleiche Spielchancen erreicht sind. Wenn auch das nicht mit vernünftigen Spielregeln gelingt, bleibt nur noch die Möglichkeit, das Spiel soweit zu verändern (vereinfachen oder erschweren) bis gleiche Chancen erreicht sind. 

Dass das Spiel durch einige Veränderungen schwerer wird, ist es manchem starken Spieler sogar recht, denn Normalschach ist schon weitgehend analysiert (auch die Verteidigungen von Schwarz) und starken Spielern soweit bekannt, dass besonders die Eröffnungsphase sehr auf hohe Theoriekenntnisse und Gedächtnisleistungen basiert und kreatives Schachspielen erst nach einigen Zügen beginnt. Wegen der ausgefeilten Spieltheorie enden die Spiele annähernd gleich starker Spieler allzu oft remis. 

Versuche, die Chancen anzugleichen, gibt es mit Handicaps (ein Bauer weniger für Weiß oder längere Bedenkzeit für Schwarz). Auch unterschiedliche Anfangsstellungen, nach dem Prinzip von CHESS960, aber mit ausgleichendem geringen Vorteil für Schwarz und verbleibendem Anzugsrecht für Weiß, sind denkbar.

Es gibt auch den Versuch, mit wechselndem Anzugsrecht nach jedem Zugpaar (Marseiller Variante). Das führt dann dazu, dass die Spieler nach dem Eröffnungszug fortlaufend Doppelzüge machen. Das ist eine sehr interessante Spielweise, die in Südfrankreich entwickelt und auch von  Aljechin gerne gespielt wurde /1/.

Die grundsätzliche Vermeidung des Zugvorteils eines Spielers wird schachnah durch gleichzeitiges und gleichberechtigtes Ziehen des weißen und des schwarzen Zuges (als Zugpaar) erreicht. Die damit verbundene gleichzeitige Wirksamkeit der Züge beider Spieler ist die Basis der Schachvarianten Synchronschach /?/, Synchron Schach /2/  und dem  hier beschriebenen Fairschach. Diese Schachvarianten unterscheiden sich in der technischen Realisierung und in den vorgeschlagenen Regelungen zu einigen Sonderfällen, die beim gleichzeitigen Ziehen der Figuren zwangsläufig auftreten, wenn man sie sehr schachähnlich realisieren will.

Im Folgenden wird die seit 2018 entwickelte, mit dem Arbeitstitel „Fairschach“  bezeichnete, Schachvariante beschrieben und mit  getesteten Spielregeln  zur Diskussion gestellt. 

Der Begriff Fairschach  (Schach mit fairen gleichen Chancen für beide Spieler) wurde  gewählt, weil beide Spieler gleiche Spielchancen haben und der Charakter des normalen Schachspiels weitgehend erhalten bleibt.

(Dieser Begriff ist allerdings auch für die FAIR-Schach-OPEN in Jena, bei denen es um faire sportliche Spielbedingungen ging, verwendet worden und er entspricht auch dem englischen Begriff „Fairchess“, der für mehrere Spielarten verwendet wird. Darum wird noch über einen (eigenständigen) Namen nachgedacht.)

In den mit Synchronschach und Synchron Schach bezeichneten Varianten mit gleichzeitigen Zügen führen die Spieler (Weiß und Schwarz) ihre Züge entweder gleichzeitig am Schachbrett aus oder sie schreiben ihren Zug zunächst auf ihr Spielformular und legen dieses bis zur gemeinsamen Einarbeitung verdeckt auf den Tisch.

Beim Fairschach mit elektronischer Zwischenspeicherung und getrennten Uhren dürfen die Spieler, wie beim Normalschach, unterschiedlich lange über ihren Zug nach-denken. Sie geben ihn dann mit Angabe von Zugnummer, (Farbe), Figur, Start- und Zielfeld in ihren vom Gegner nicht einsehbaren Zwischenspeicher ein. Sie dürfen ihre Eingabe noch ändern, solange ihre Uhr noch läuft. Danach stoppen sie ihre Uhr zur endgültigen Bestätigung ihrer Eingabe und zur Messung ihrer Bedenkzeit. Jeder Spieler muss erkennen können, ob die Uhr des Gegners noch läuft.  Sind beide Uhren gestoppt, werden beide Züge beiden Spielern (und dem Publikum) zeitgleich angezeigt und sie werden gemeinsam als Zugpaar auf dem Schachbrett ausgeführt. Die Uhren werden danach wieder gestartet. 

Jeder Spieler muss seinen Zug entscheiden, ohne den zum Zugpaar zugehörigen Zug des Gegners zu kennen.  Es ist ein Spiel mit unvollständiger Information (Bayes-Theorie). Beide Spieler wissen nicht, ob die gegnerische Figur, die mit diesem Zug geschlagen werden soll, noch auf ihrem Platz steht, wenn ihre Figur dort ankommt. Sie wissen auch nicht, ob das Feld, auf das ihre Figur ziehen will, durch den gegnerischen Zug zusätzlich angegriffen wird. Man kann einiges nur einkalkulieren und muss mit Überraschungen rechnen. 

Natürlich sind diese Probleme für Weiß und Schwarz gleich und sie bieten neue Herausforderungen für beide Spieler. Die existierende Eröffnungstheorie vom Normalschach ist nur begrenzt anwendbar und es ist von Anfang an viel kreatives Denken gefordert. Die Anzahl der remis endenden Partien wird sinken.

Gleichzeitige Aktionen mit unvollständiger Information sind auch eine realistischere Nach-bildung militärischer Operationen durch ein Brettspiel, (wie es Schach nun mal ist). Jene Aktionen  laufen ebenfalls oft gleichzeitig ab und die Entscheidungen müssen ohne vollstän-dige Information über Absicht und bevorstehende Aktion des Gegners gefällt werden. Der  Verteidiger reagiert nicht  immer erst nach einer Aktion des Angreifers.

 

Figurenzüge 

Die beiden Züge von Weiß und Schwarz bilden ein Zugpaar und die Notation der Züge sollte ähnlich der des Normalschachs (beide Züge in einer Zeile, schwarzer Zug rechts vom weißen Zug) erfolgen, um die gewohnte Lesart beizubehalten. Für Sonderfälle wird ein Kennzeichen hinzugefügt. Für Fernschach mit einfacher Chiffrierung für die elektronische Zugübertragung wird ein Zahlenkode (Oktalkode) für die Start- und Zielfelder und auch für die Figuren und Kennzeichen vorgeschlagen.

Die Figuren, auch Bauern werden hier zu  den Figuren gezählt, haben dieselben Zugrechte wie beim Normalschach und es sind nur die Züge zugelassen, die bei der Spielstellung vor der Zugeingabe auch beim Normalschach zulässig wären. 

Die beiden ausgelesenen Züge eines Zugpaars beginnen bei der Einarbeitung in die Spiel-stellung gleichzeitig auf ihren jeweiligen Startfeldern und beide Figuren beenden ihren Zug auch gleichzeitig auf ihren jeweils angegebenen Zielfeldern. Gegenseitige Behinderungen der beiden Figuren auf ihren Wegen sind wirkungslos, auch wenn sich ihre Wege kreuzen. (Der Fall, dass für beide Figuren dasselbe Zielfeld angegeben ist, wird noch als Sonderfall behandelt.)

Wenn der Zug eines Spielers nicht ausführbar ist (fehlerhaft eingespeichert oder auf Papierspeicher nicht eindeutig lesbar oder das Zielfeld für einen Königszug ist mit Schach bedroht), wird nur der Zug des anderen Spielers ausgeführt. 

Zieht eine Figur auf ein Zielfeld, auf dem eine gegnerische Figur steht, die nicht im selben Zugpaar wegzieht, wird diese Figur geschlagen.  Ist aber das Zielfeld der angreifenden Figur auch das Startfeld der angegriffenen gegnerischen Figur, weil diese ebenfalls ziehen will, ist diese nicht mehr da, wenn die angreifende Figur dort ankommt. Die weggezogene Figur kann nicht geschlagen werden. Der Zug der angreifenden Figur endet trotzdem auf diesem Zielfeld.

Wollen sich beide Figuren in einem Zugpaar gegenseitig schlagen (das Zielfeld jeder Figur ist das jeweilige Startfeld der anderen Figur), tauschen sie nur ihre Plätze.

Für den Fall, dass beide Figuren auf dem gleichen Zielfeld enden, wird eine Sonderfallregelung wirksam.  Wenn also für beide Figuren eines Zugpaars das gleiche Zielfeld angegeben ist, gibt es Sonderfallregelungen, wie: beide Figuren schlagen sich gegenseitig, die schwächere Figur wird von der stärkeren Figur geschlagen oder die schwächere  Figur verzichtet auf diesen Zug und bleibt auf ihrem Startfeld.  

Die hier geltende Stärkeskala Ist: König, Dame, Turm, Leichtfiguren, Bauer. Die Leichtfiguren Läufer und Springer gelten als gleichstark, um Streitfälle zu vermeiden.

Als Zwischenspeicher reichen für Training, Freundschaftsspiele und kleine Turniere die Partieformulare aus, auf denen die Spieler ihre Züge (eindeutig lesbar) notieren. 

Für anspruchsvolle Turniere mit Fairschach wird eine zeitgemäße programmierte elektro-nische Speicherung mit zwei verdeckten Eingabetastaturen vorgeschlagen, die die Zwischen-speicherung, die programmierte regelgerechte Einarbeitung der Züge und die zeitgleiche Anzeige der neuen Spielstellung für die Spieler (und für das Publikum) übernimmt. 

Außerdem misst sie die Bedenkzeiten, zeigt die relevanten Daten und Zeiten an und protokolliert die Schachpartie.

 

Sonderfälle

Leider können nicht alle Spielsituationen mit gleichzeitigen Zügen gespielt werden, weil z.B. ein Königsangriff erst abgewehrt werden muss, bevor die schachgebende Figur wieder ziehen darf. Auch eine Figur, die soeben angreifend, aber nun schlagbar, gezogen ist, kann vom angegriffenen Spieler nur geschlagen werden, bevor sie wieder weiterziehen darf. 

Eingefügte Einzelzüge, Zugrechtregelungen mit Erstzugrecht für den zu unterstützenden Spieler und auch die Zugrechtregelung mit verordneter Zugpause können dafür sorgen, dass eine bestimmte gegnerische Figur beim nächsten Zug des Spielers noch auf ihrem Feld steht.

Die Abwehr eines Königsangriffs ist ein Pflichtzug und dieser hat Vorrang vor allen anderen Zügen und Sonderfällen. Ein en passant schlagbarer Bauer darf nur im folgenden Zug geschlagen werden und dazu muss dieser auch noch auf diesem Feld stehen bleiben, damit der gegnerische Bauer ihn im nächsten Zugpaar schlagen kann.  Ein Spieler soll auch dann durch eine Sonderfallregelung unterstützt werden, wenn er eine Figur wiederschlagen kann, die soeben eine seiner Figuren geschlagen hat. Deshalb darf die schlagende Figur nicht weiterziehen, bevor der geschlagene Spieler seinen nächsten Zug gemacht hat, wenn er diese Figur schlagen kann. 

 (Sicher möchte mancher Schachspieler auch noch eine Figur sofort schlagen können, die einen Angriff vorbereitet und dazu ungedeckt auf ein schlagbares Feld gezogen ist. Aber nicht alle Wünsche nach normalschachüblicher Spielweise müssen erfüllt werden; zumal diese gefährliche Situation die spieltaktischen Möglichkeiten bereichert und nicht nur vom Angreifer vorausgesehen werden kann.)

 

Zugfolgeregelung mit Einzelzügen, Erstzugrecht oder Zugpausen

Eine gewollte Zugfolge ist z.B. durch das Einfügen von zwei Einzelzügen realisierbar, wobei der angegriffene Spieler einen notwendigen Abwehrzug oder einen naheliegenden Schlagzug eingibt, der zuerst ausgeführt wird. Danach macht auch sein Gegner einen Einzelzug, um die Zuganzahl auszugleichen. (Dass dabei manchmal Schwarz vor Weiß zieht, ist nur ungewohnt aber nicht falsch.)

Mit solchen zwei Einzelzügen  kann man natürlich alle Sonderfälle schachgerecht lösen, aber das Zusammenspiel von aufeinanderfolgenden Zügen mit den angrenzenden Zugpaaren ist problematisch. Es entsteht nämlich am Anfang und am Ende der Einfügung jeweils ein Doppelzug, den der Gegner für Angriffe besser nutzen kann als der angegriffene Spieler, der sich zunächst um einen Verteidigungszug kümmern muss. 

Aufeinanderfolgende Züge zur Lösung von Sonderfällen sind auch dadurch realisierbar, dass beide Spieler ihre Züge zunächst in ihre Zwischenspeicher eingeben. Erst beim Auslesen der 

Züge erkennt der Gegenspieler, dass der angegriffene Spieler ein Erstzugrecht  zur Lösung dieses Sonderfalls in Anspruch nimmt. Hat der Spieler sich aber für einen anderen Zug entschieden, werden die Züge als Zugpaar eingearbeitet. Der Gegner kann sich dadurch nicht auf den naheliegenden Schlagzug des Spielers verlassen. Er muss sich auch über andere mögliche Züge Gedanken machen. 

Doppelzüge sind beim Einarbeiten von Zugpaaren mit  Erstzugrecht für den angegriffenen Spieler  weniger gefährlich als bei zwei eingefügten Einzelzügen, denn bei dieser vorherigen Eingabe der Züge in die Zwischenspeicher muss jeder Spieler seinen Zug schon festlegen, bevor er den Zug des Gegners erfährt.

Die dritte Möglichkeit ist, durch eine verordnete Zugpause für die soeben gezogene Figur, die einen König bedroht oder schlagend auf ein gedecktes Feld gezogen ist, dafür zu sorgen, dass sie noch auf ihrem Feld steht, wenn der bedrohte Gegner seinen nächsten Zug ausführt. Schlägt der Gegner sie nicht, darf sie im nächsten Zug wieder ziehen.

In den Sonderfällen ohne Königsbedrohung gibt es keinen Pflichtzug. Deshalb muss der Spieler sich bei der Eingabe (bei Erstzugrecht- oder Zugpausenregelung) nicht unbedingt für den naheliegenden Abwehrzug oder Schlagzug entscheiden. Der Spieler darf, ohne vorherige Ankündigung, einen anderen Zug in seinen Zwischenspeicher eingeben, für den er dann bei der Einarbeitung der Züge aber kein Erstzugrecht erhält. Der Gegner erfährt erst beim Auslesen der Züge, ob er überhaupt Züge hintereinander machen kann, wobei sein erster Zug davon auch schon festgelegt ist und nicht mehr geändert werden kannNur wenn der aus dem Speicher ausgelesene Zug des Spielers ein Lösungszug zum Sonderfall ist, wird dem Spieler für seinen Zug ein Erstzugrecht eingeräumt und beide Spieler haben einen Doppelzug. Der auch schon eingegebene Zug des Gegners folgt danach, wenn er dann noch ausführbar ist. 

Um die Anzahl von Doppelzügen gering zu halten, wurden bei Testspielen die Einzelzüge nur zur Abwehr von Königsangriffen gespielt und sie sollten auch nur verwendet werden, solange Schachgebote im Spiel selten sind. Wenn in Endspielen nur noch wenige Figuren im Spiel sind, wird vorgeschlagen, auf Normalschach zu wechseln und so zu Ende zu spielen, um häufige Wechsel mit Doppelzügen zu vermeiden. Ein Erstzugrecht spielt keine Rolle mehr, wenn der Wechsel bei einem Schachgebot erfolgt. 

Einfacher zu spielen (und ohne Doppelzüge) ist die Verordnung einer Zugpause für jede soeben gezogene Figur (außer König). Die Figur muss einen Zug pausieren; der Spieler darf aber eine andere Figur ziehen.

Das Zugverbot kann weiter eingeschränkt werden auf nur jene Figur, die soeben auf ein schlagbares Feld gezogen ist. Dann braucht man nur noch für Königsangriffe, wegen Abzugsschach, eine Sonderfallregelung (Einzelzüge oder Erstzugrecht) mit aufeinanderfolgenden Zügen. 

(Wenn es auch hart klingt, das eine Figur einen Zug lang stillhalten soll, um danach wahrscheinlich geschlagen zu werden, so ist es doch nicht schlimmer als beim Normalschach. Dort müssen nach jedem Zug alle Figuren bis nach dem Zug des Gegners warten, auch wenn sie auf einem schlagbaren Feld stehen.)

Derzeit wird bei Königsangriffen die Zugpaareingabe mit Erstzugrecht für den angegriffenen Spieler getestet. Im Endspiel wird beim nächsten Königsangriff eine Umschaltung auf fortlaufende Einzelzüge (Wechsel auf Normalschach) gespielt.

Steht nach einem vorgezogenen Zug des mit Erstzugrecht unterstützten Spielers nun der König des Gegners im Schach und kann der bereits eingegebene Zug diese Königsdrohung nicht abwehren, ist dieser Zug des Gegners nicht mehr zulässig und wird gestrichen. Wegen der nun bestehenden Drohung gegen diesen König wird erneut ein Sonderfall (zur Abwehr dieses Angriffs auf einen König) mit Erstzugrecht für den nun bedrohten Spieler angesetzt.

Wenn eine Figur soeben auf ein vom Gegner schlagbares Feld gezogen ist, darf sie bei der Zugrechtregelung mit Zugpausen im nächsten Zugpaar nicht wieder wegziehen. Sie muss einen Zug pausieren. Eine Ausnahme ist vorgesehen, wenn die Figur mit verordneter Zugpause im nächsten Zug zur Abwehr eines Königsangriffs eingesetzt wird, weil dabei alle verfügbaren Kräfte einsetzbar sein sollen. 

An sich löst die einfach zu spielende Zugrechtregelung mit verordneter Zugpause für die soeben gezogene Figur alle Sonderfälle (außer dem bereits genannten Königsangriff mit Abzugs- oder Doppelschach), aber Testspiele mit verordneten Zugpausen zeigten einen schleppenden Spielfluss, weil Angriffe sich nur langsam entwickelten. Derzeit muss nur dann eine soeben gezogene Figur im folgenden Zugpaar pausieren, wenn  sie auf ein vom Gegner schlagbares Feld gezogen ist.  Alle Königsangriffe werden mit Erstzugrecht für den angegriffenen Spieler gespielt.

(Ein König wurde bei den bisherigen Testspielen nie mit einem Zugverbot belegt. Als wichtigste Figur soll er nicht eingeschränkt werden. Außerdem lassen sich manche Majestäten sowieso nichts verbieten. Ein chinesischer Kaiser hat sich einst beschwert, dass er sich auf dem Schachbrett von einfachen Mandarins (Beamte) behindern, bedrohen und herumschieben lassen soll. Seitdem heißt diese Figur im chinesischen Schachspiel nicht mehr Kaiser sondern „General“.)

Das Spiel ist durch die unvollständige Information und durch die einzukalkulierenden Sonderfälle ein faires, erschwertes und auch sehr interessantes Spiel mit ausgeglichenen Spielchancen. Es führt natürlich zu neuen Schachproblemen, oft kürzeren Spielen und bestimmt zu weniger Remisen. Spezielle Spieltheorien und angepasste Schachprogramme gibt es noch nicht. Wahrscheinlich gewinnen mit solchen Schachvarianten auch wieder mehr Menschen gegen Computer.  Starken Spielern dürfte das einen weiteren Anreiz bieten.

 

Wechsel der Spielvarianten 

Das Ziel, den Nachteil von Schwarz gegenüber Weiß durch den Zugvorteil bei einer Schachpartie zu reduzieren, ist mit Fairschach nach zwölf bis sechzehn Zügen erreicht, sodass eine frühe Umschaltung auf das gewohnte und damit leichtere Normalschach insbesondere für Einsteiger erwogen werden kann. 

Tests ergaben, dass in Endspielen mit wenigen Figuren und vielen Schachgeboten das häufige Einfügen von Sonderfällen mit aufeinanderfolgenden Zügen und die damit verbundenen Doppelzüge störend wirken, sodass in Endspielen ein Wechsel in den Normalschachmodus zwar nicht zwingend ist, aber das Spielen einfacher macht. Startet der Wechsel, wenn ein König angegriffen ist, fällt auch der zweite Doppelzug weg. (Manchmal zieht dann eben Schwarz zuerst.) 

 

Fernschachmodus für Fairschach

Bei den bisherigen Testspielen zum Fairschach im Fernschachmodus fungierte der Autor dieses Berichts als Spielbetreuer zur Absicherung der regelgerechten Spielweise, der die Züge zur jeweiligen Spielstellung durch Emails von den beiden Spielern (Block und Tiemann) geliefert bekam. Nach Eingang beider Züge wurde das Zugpaar vom Spielbetreuer in die jeweilige Spielstellung eingearbeitet und beide Spieler wurden danach mit zeitgleichen Emails über beide eingegangenen Züge und die neue Spielstellung benachrichtigt. 

Die verbrauchten Bedenkzeiten können durch die Zeitangaben der empfangenen Emails einigermaßen kontrolliert werden und auf den Emails an die Spieler vermerkt werden.

Eine solche Spielweise bietet sich an, solange Testerfahrungen gesammelt werden und über Auslegungen und brauchbare Änderungen der Spielregeln diskutiert wird.

Eine direkte Spielweise zwischen entfernt sitzenden Spielern über das Internet ist auch möglich. Dazu ist es in einem ersten Schritt nötig, dass die Spieler sich gegenseitig informieren, nachdem sie ihren anstehenden Zug endgültig entschieden und nicht mehr änderbar abgelegt haben. (z.B. durch vorerst chiffrierte Lieferung an die Gegner oder zur Archivierung an eine Vertrauensperson, an die Turnierleitung oder an einen Zentralrechner, um sie dort mit Eingangszeit zu speichern. In Streitfällen oder nach Spielende können die Speicher zur Kontrolle der eingegangenen Züge abgefragt werden.

Wenn beide Züge feststehen, werden die Züge per Email an die Gegner geliefert. Mit der nächsten Email sollten zum Vergleich auch die ermittelten neuen Stellungen angegeben werden.

 

Verschlüsselung

Man kann Felder und Züge für chiffrierte Übertragung oktal codieren (52 für das Feld e2  und 6765 für den Zug von f7 nach f5).  Auch die Figuren und Sonderteichen können vorzugsweise durch eine vorgesetzte bzw. und eine nachfolgende Ziffer codiert werden. Die ganze Ziffernfolge kann notfalls auch verschlüsselt werden. 

(Mehr möchte ich dazu nicht öffentlich diskutieren. Sonst sind möglicherweise Hobby-Hacker früher fertig als eine angepasste Verschlüsselungs-App.)

 

Tests und Diskussion der Spielregeln

Für die Diskussion der Spielvarianten und Spielregeln zum Fairschach und für die durchge-führten Tests bedanke ich mich besonders bei den Schachfreunden Rainer Otto aus Elgersburg, dem Internationalen Fernschachmeister Hagen Tiemann aus Templin und Dr. Ulrich Block aus Friedelsheim.  Für die Hilfe bei der Veröffentlichung, den Korrekturen und häufigen Ergänzungen im Internet bedanke ich mich bei meinem Sohn Uwe aus Ilmenau.

Schlussbemerkung

Die Entwicklung dieses Spiels ist mit diesem Bericht nicht abgeschlossen. Die Ideen und formulierten Regeln sind als Vorschläge und Diskussionsgrundlage zu betrachten. Sie wurden im Jahre 2018 entworfen, seitdem mehrmals überarbeitet und sie sind auch jetzt noch nicht „in Stein gemeißelt“.

Für weitere Diskussionen und Hinweise bin ich dankbar. Meine Emailadresse steht dazu im Impressum.

 

 

Geraberg,  April  2023            Werner  Zühlke

 

Literatur:

/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Schachvariante

/2/ https://www.schach-bremen.de/varianten/marseille.hmtl

/3/ http://www.hexenspiel.de/synchronschach/


 

Spielregeln 

Die folgenden neun vorgeschlagenen Spielregeln für Fairschach wurden nach den diskutierten Ideen und bisherigen Testerfahrungen zusammengestellt. Sie basieren auf den Regeln vom FIDE-Schach, auf gleichzeitig ausgeführte Züge und derzeit auf verordnete Zugpausen in den Sonderfällen.

                                               

Fairschach-Spielregeln 

FSR 1: Die Schachvariante Fairschach wird auf dem beim Normalschach (FIDE Schach) üblichem Spielfeld mit den dort verwendeten Figuren gespielt. Alle Figuren (einschließlich Bauern)  haben dieselben Zugrechte wie beim Normalschach und es sind beim Fairschach auch nur die Züge zugelassen, die bei der aktuellen Spielstellung auch beim Normalschach zulässig wären.

 

FSR 2: Jeder Spieler gibt seinen beabsichtigten Zug zur aktuellen Spielstellung mit Angabe von Zugnummer, Figur, Startfeld und Zielfeld, vom Gegner nicht einsehbar, in einen ihm zugeordneten Zwischenspeicher ein und stoppt danach seine Uhr zur endgültigen Festlegung seines Zuges und zur Bedenkzeitmessung. Sobald beide Uhren gestoppt sind, werden die beiden Züge der Spieler aus den beiden Zwischenspeichern ausgelesen und, zu einem Zugpaar zusammengefasst, der gemeinsamen und gleichberechtigten Einarbeitung in die Spielstellung zugeführt. Die Züge und die neue Spielstellung werden dabei beiden Spielern gleichzeitig angezeigt. Danach werden beide Zwischenspeicher zur Eingabe der nächsten Züge freigegeben und die Uhren werden erneut gestartet.

 

FSR 3: Die beiden Züge  eines Zugpaars starten bei der Einarbeitung in die Spielstellung gleichzeitig von ihren Startfeldern und sie gelangen auch gleichzeitig auf ihren angege-benen Zielfeldern. Gegenseitige Behinderungen der beiden Figuren auf ihren Wegen sind wirkungslos.

Wenn der Zug eines Spielers nicht eindeutig lesbar oder bei der Figurenstellung nicht ausführbar ist, wird nur der Zug des anderen Spielers ausgeführt.

 

FSR 4: Ziehen in einem Zugpaar zwei unterschiedlich starke Figuren auf dasselbe Zielfeld, schlägt die stärkere Figur die schwächere. Ziehen  zwei gleichstarke Figuren auf dasselbe Zielfeld, schlagen sie sich gegenseitig.  Die hier geltende abnehmende Stärkeskala der Figuren ist: König, Dame, Turm, Leichtfigur, Bauer.  Die Leichtfiguren (Läufer und Springer) gelten als gleichstark.

 

FSR 5: Zieht eine Figur auf ein Zielfeld, auf dem bereits eine gegnerische Figur steht, wird diese Figur geschlagen. Eine wegziehene Figur kann nicht geschlagen werden, da sie ihr Startfeld schon verlassen hat, wenn die angreifende Figur auf ihrem Zielfeld ankommt. Beide Figuren ziehen auf ihr angegebenes Zielfeld.

 

FSR 6: Ist der König eines Spielers durch eine gegnerische Figur angegriffen, geben beige Spieler ihre beabsichtigten Züge, wie üblich, in ihre Zwischenspeicher ein. Bei der Einarbei-tung des Zugpaars wird dem mit Schach bedrohten Spieler für seinen Zug zur Abwehr des Angriffs ein Erstzugrecht eingeräumt. Erst danach wird auch der eingegebene Zug des Gegners ausgeführt, wenn er dann noch ausführbar ist.

 

FSR 7: Steht nach dem Abwehrzug eines Spielers der König des anderen Spielers im Schach und kann dessen eingegebener Zug die Königsdrohung nicht abwehren, wird dieser Zug geändert.  Wegen der nun bestehenden Drohung gegen seinen König,  wird erneut ein Sonderfall zur Abwehr dieses Angriffs auf seinen König mit Erstzugrecht für einen neuen Zug des nun bedrohten Spielers angesetzt.

Stehen beide Könige im Schach, werden die Züge beider Spieler als normales Zugpaar eingegeben und ausgeführt.

 

FSR 8: Wenn in der Endspielphase nur noch wenige Figuren (Anzahl noch vereinbaren) auf dem Spielfeld stehen, wird beim nächsten Schachgebot auf den Normalschachmodus  umgeschaltet und die Partie wird mit abwechselngen Zügen zu Ende gespielt. Der angegriffene Spieler beginnt mit seinem Abwehrzug. 

 

FSR 9: Jede soeben gezogene Figur (außer König) darf im nächsten Zugpaar nur dann schon wieder ziehen, wenn ihr König angegriffen ist. 

 

Spielsituationen, die durch FSR 1 bis FSR 9 nicht geregelt sind, werden nach Regeln des Normalschachs gespielt, vom Schiedsrichter entschieden oder das Spiel endet  remis.  

 

 

 

Uwe Zühlke

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